Zum Kongressstart fand im Rahmen der DGK-Herztage eine Pressekonferenz zum Thema „Herzmedizin 2025: Gesundheitspolitik, Digitalisierung und Innovationen – Herausforderungen und Chancen in der Versorgung“ statt. Im Mittelpunkt standen aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen in Versorgung, Intervention und Digitalisierung der Herzmedizin.
Interdisziplinarität als Schlüssel: Versorgung von Herzpatienten nur im Team optimal
Den Auftakt machte Dr. Benny Levenson (Berlin), Tagungspräsident Kardiologie Aktuell, und betonte in seinem Vortrag, dass die Versorgung von Herzpatienten in Deutschland weiterhin durch strukturelle Defizite geprägt ist. Die Mortalitätsrate von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bleibt mit jährlich über 211.000 Todesfällen auf hohem Niveau. Regionale Unterschiede in der Versorgungsqualität, mangelnde ambulante Früherkennung, fehlende Kontinuität nach stationären Aufenthalten sowie unzureichende Kommunikation zwischen Hausarzt, Kardiologe und Klinik erschweren eine optimale Patientensteuerung.
Levenson plädierte für einen echten „Team-Approach“, bei dem alle Akteure – von Hausarzt über Kardiologie und Herzchirurgie bis hin zu spezialisierten Pflegekräften – gemeinsam agieren. Strukturen wie zertifizierte Heart Failure Units und Telemedizinzentren der DGK bieten bereits heute Ansätze für sektorenübergreifende Versorgung. Wesentliche Erfolgsfaktoren sind definierte Therapieziele, klare Verantwortlichkeiten und die konsequente Nutzung digitaler Schnittstellen wie ePA, e-Rezept und KIM. Hürden bestehen insbesondere in der Interoperabilität digitaler Systeme und den unterschiedlichen Logiken von ambulanter und stationärer Versorgung.
Internationale Initiativen wie die „Global Heart Attack Treatment Initiative (GHATI)“ demonstrieren, wie durch einfache Datenerhebungen und Feedback die Akutversorgung messbar verbessert werden kann. Politische Unterstützung – etwa durch das geplante „Gesundes-Herz-Gesetz“ – ist laut Levenson unerlässlich, um die Kluft zwischen medizinischer Realität und politischer Reaktion zu schließen. Die Umsetzung des EU Cardiovascular Health Plan mit dem Ziel, die kardiovaskuläre Mortalität bis 2030 um ein Drittel zu senken, bleibt daher eine zentrale Aufgabe.
20 Jahre Mitral Edge-to-Edge-Repair: Innovation mit Herausforderungen
Der zweite Vortragende Prof. Dr. Alexander Ghanem (Hamburg), Tagungspräsident AGIK live, stellte die Entwicklung der katheterbasierten Mitralklappenrekonstruktion (M-TEER) in den Fokus. Die Mitralklappeninsuffizienz (MI) betrifft 1–2 % der Bevölkerung, bei den über 75-Jährigen sogar etwa 10 %. Mit dem M-TEER-Verfahren, insbesondere dem MitraClip-System, steht seit 20 Jahren eine minimalinvasive Therapieoption zur Verfügung, die vor allem Hochrisikopatienten zugutekommt.
Die Evidenzlage zeigt: Während chirurgische Verfahren bei geeigneten Patienten weiterhin bessere Langzeitergebnisse hinsichtlich MI-Kontrolle bieten, profitieren Hochrisikopatienten mit M-TEER von einer signifikanten Reduktion von Komplikationen und Hospitalisierungen. Die RESHAPE-HF2-Studie (2024) belegt eine deutliche Senkung von Hospitalisierungen und kardiovaskulärem Tod bei sekundärer MI durch M-TEER zusätzlich zur leitliniengerechten Therapie.
Wesentliche Herausforderungen bleiben die rechtzeitige Indikationsstellung, die Auswahl geeigneter Patientinnen und Patienten sowie die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Heart-Team. Die aktuellen ESC/EACTS-Leitlinien (2025) sehen M-TEER als Klasse-I-Empfehlung bei hochgradiger sekundärer MI und als Option für inoperable Patientinnen und Patienten mit primärer MI vor. Der technologische Fortschritt, neue Bildgebungsverfahren und die Entwicklung von transvenösen Mitralklappen-Ersatzsystemen treiben die Forschung weiter voran.
Digitalisierung und Künstliche Intelligenz: Chancen und Grenzen in der Rhythmologie
Prof. Dr. Philipp Sommer (Bad Oeynhausen), Tagungspräsident Deutsche Rhythmus Tage, widmete sich im letzten Vortrag der Pressekonferenz der Rolle von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz (KI) in der Herzmedizin, insbesondere in der Rhythmologie. Die Nutzung von Wearables ist in Deutschland weit verbreitet: 14 Millionen Erwachsene erfassen bereits kontinuierlich Körperdaten. Diese Technologien ermöglichen eine frühzeitige Erkennung von Arrhythmien und erleichtern die Dokumentation von Symptomen im Alltag.
Die frühzeitige Rhythmuskontrolle, wie durch die EAST-AFNET 4-Studie belegt, senkt das Risiko für kardiovaskulären Tod und Schlaganfall signifikant. Digitale Tools und Telemedizin bieten zudem Potenzial zur Ressourcenschonung und Kostenreduktion im Gesundheitssystem. Herausforderungen ergeben sich jedoch durch die große Datenmenge und mangelnde Interoperabilität der Systeme, etwa bei der Fernüberwachung von Schrittmacher- und ICD-Patienten.
KI-gestützte Systeme, wie das VOLTA-Mapping zur gezielten Ablation bei Vorhofflimmern, zeigen vielversprechende Ergebnisse mit geringeren Rezidivraten. Dennoch bleibt der ärztliche Entscheidungsprozess zentral – digitale Tools können unterstützen, ersetzen aber nicht die ärztliche Bewertung. Für eine nachhaltige Integration digitaler Innovationen sind dem Experten zufolge strukturelle Anpassungen und klare ethische Leitlinien erforderlich.
Fazit der Pressekonferenz
Fortschritt in der Herzmedizin gelingt nur durch interdisziplinäre Zusammenarbeit, gezielte Innovationen und eine intelligente Nutzung digitaler Technologien. Die konsequente Umsetzung wissenschaftlicher Evidenz, die Förderung sektorenübergreifender Strukturen und die Integration von Digitalisierung und KI sind zentrale Hebel, um die Versorgung von Herzpatientinnen und -patienten nachhaltig zu verbessern.
Quelle: Pressekonferenz DGK Herztage 25.09.2025 / herzmedizin.de