Die internationale Kommission für klinische Adipositas schlägt eine umfassende Neugestaltung der Adipositas-Diagnostik vor. Auch Wissenschaftler der TU Dresden am Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) waren beteiligt. Die Vorschläge werden in „The Lancet Diabetes & Endocrinology“ publiziert.
Weltweit sind rund eine Milliarde Menschen adipös. In Deutschland hat jeder vierte Erwachsene starkes Übergewicht, und viele Betroffene leiden darunter. Außerdem belasten Adipositas und Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes und Arthrose das Gesundheitssystem. Eine präzisere Diagnostik, so die Hoffnung, könnte Betroffenen gezielter helfen und gleichzeitig Kosten senken. „Eine gründliche und ausgewogene Definition von Adipositas ist längst überfällig, um die medizinischen und sozioökonomischen Herausforderungen anzugehen“, betont Prof. Stefan Bornstein, Mitglied der Kommission und Direktor des Zentrums für Innere Medizin am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden und Wissenschaftler am Deutschen Zentrum für Diabetesforschung.
BMI ist nicht das Maß aller Dinge
Derzeit stützt sich die Diagnose von Adipositas hauptsächlich auf den Body-Mass-Index (BMI). Beim individuellen Patienten ist der BMI jedoch kein zuverlässiger Indikator für den Krankheitswert. Die „Commission on Clinical Obesity“, ein mit 56 Expert:innen besetztes internationales und interdisziplinäres Gremium, empfiehlt daher, den BMI nicht zum Maß aller Dinge zu machen. Eine klinisch relevante Definition müsse sich auf weitere Parameter wie Fettverteilung und Körperfettanteil und Symptome stützen.
Die Kommission schlägt vor, zwischen „klinischer Adipositas“ und „präklinischer Adipositas“ zu differenzieren. Klinische Adipositas ist definitiv eine chronische Krankheit, die mit dauerhaften Organfunktionsstörungen einhergeht. Präklinische Adipositas dagegen ist mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko verbunden. Die Strategien bei klinischer bzw. präklinischer Adipositas sollten unterschiedlich sein.
Adipositas grundsätzlich als Risikofaktor zu betrachten, werde dem potenziellen Krankheitscharakter nicht gerecht und könne den Zugang zu einer adäquaten Intervention verstellen. Auf der anderen Seite führe eine pauschale Definition von Adipositas als Krankheit zu Überdiagnosen und ungerechtfertigten – medikamentösen bzw. chirurgischen – Behandlungen. Das müsse mit Blick sowohl auf was Wohl der Betroffenen als auch auf die Kosten für die Gesellschaft vermieden werden, so Vorsitzende der Kommission, Prof. Francesco Rubino vom King’s College London. Die Kommission macht dafür stark, dass alle Menschen mit Adipositas eine personalisierte Gesundheitsberatung und evidenzbasierte Versorgung erhalten – frei von Stigmatisierung und Schuldzuweisung.
Quelle: Pressemitteilung der Technischen Universität Dresden vom 16. Januar 2025
Pressemitteilung von „The Lancet Diabetes & Endocrinology“ 2025. https://www.dzd-ev.de/fileadmin/DZD/PDF/Pressemitteilungen_Texte/PM_2025/250114_Global_Commission_proposes_major_overhaul_of_obesity_diagnosis__going_beyond_BMI_to_define_when_obesity_is_a_disease._.pdf