Der Natur abgeguckt

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Ärztin misst einem jungen Mann den Blutdruck.
Quelle: © Alexander Raths – stock.adobe.com

Die Natur ist ebenso erfinderisch wie perfektionistisch. Schon oft sind deshalb Wissenschaftler bei der Natur in die Lehre gegangen und haben sich erfolgreiche Strategien abgeguckt. Auch Enno Klußmann vom Max Delbrück Center in Berlin setzt darauf. Er sucht nach neuen Ansätzen der Hypertoniebehandlung und ist auf eine Erbkrankheit aufmerksam geworden, die mit Bluthochdruck, nicht jedoch mit den hypertonie-typischen Organkomplikationen einhergeht.

HTNB-Syndrom – oder nach ihrem Entdecker auch Bilginturan-Syndrom – heißt die seltene Erbkrankheit, die sich in einer auf den ersten Blick rätselhaften Kombination von Symptomen äußert: Die Betroffenen haben einerseits verkürzte Finger (Brachydaktylie), und andererseits leiden sie an Bluthochdruck. Herz und Nieren sind jedoch vor negativen Auswirkungen des chronischen Bluthochdrucks geschützt. Patienten mit diesem Gendefekt entwickeln weder typische Folgen wie Herzhypertrophie und Herzinsuffizienz, noch leidet ihre Nierenfunktion.

Enzyme im Doppelpack

Welcher Genedefekt für das HTNB-Syndrom verantwortlich ist, konnte erst 2015 geklärt werden: Die defekte Erbanlage kodiert für ein Enzym namens Phosphodiesterase 3A, kurz PDE3A, das sowohl auf den Blutdruck als auch auf das Knochenwachstum Einfluss nimmt. Die Genmutation führt zu einer gesteigerten Aktivität dieses Enzyms.

Und diesem Enzym ist es auch zu verdanken, dass Herz und Nieren durch den chronisch erhöhten Blutdruck nicht geschädigt werden, wie Enno Klußmann, Leiter der Arbeitsgruppe „Ankerproteine und Signaltransduktion“ am Max Delbrück Center, herausgefunden hat. „Aufgrund einer Mutation sind die Enzymmoleküle aktiver als gewöhnlich, wahrscheinlich weil sie sich vermehrt in Zweiergruppen zusammentun“, erklärt Klußmann. Diesen Effekt möchte der Forscher nun mithilfe geeigneter Wirkstoffe imitieren. Am Tiermodell haben die Forscher nachgewiesen, dass sich die hypertonie-bedingten Organkomplikationen tatsächlich verhindern lassen, wenn die Aktivität des Enzyms PDE3A heraufgefahren wird.

Im nächsten Schritt fahndet die Arbeitsgruppe nach Wirkstoffen, die in die Zellen eindringen können und dort gezielt zu einer Aktivitätssteigerung der Phosphodiesterase 3A führen. Eine Option wären Wirkstoffe, die – in Anlehnung an das HTNB-Modell – die Bildung von Enzymdimeren induzieren. Aber auch andere Wirkmechanismen sind denkbar. Klein müssen die Wirkstoffe sein, damit sie die Zellen entern können, so viel steht fest.

Das ist der Plan

„Noch tappen wir bei der Kandidatensuche ziemlich im Dunkeln“, räumt Klußmann ein. Aber der Plan steht:  Gestartet wird die Suche in der Wirkstoff-Bibliothek des Leibniz-Forschungsinstituts für Molekulare Pharmakologie, wo rund 170.000 „Small Molecules“ erfasst sind. Interessante Kandidaten werden dann mit einer speziellen Form der Fluoreszenzmikroskopie daraufhin durchleuchtet, ob sie die Phosphodiesterase 3A tatsächlich aktivieren. Und die Treffermoleküle werden schließlich an zwei unterschiedlichen Herzmuskelmodellen – aus tierischen Herzmuskelzellen bzw. aus menschlichen induzierten pluripotenten Stammzellen – auf kardioprotektive Effekte hin getestet.

Sollten die Forscher bei ihrer Suche erfolgreich sein, müssen sie den Wirkstoff gezielt an die Orte bringen, wo er seine organprotektiven Effekte entfalten soll. Systemisch wird man ein Medikament, das die Aktivität der Phosphodiesterase 3A steigert, nicht anwenden können. Denn das würde sehr wahrscheinlich einen Bluthochdruck provozieren und das Risiko eines Schlaganfalls erhöhen, so Klußmann. Bleibt also noch einiges zu tun auf dem Weg von dieser interessanten Idee bis hin zum innovativen Medikament.

Quelle: Pressemitteilung des Max Delbrück Centers vom 30. September 2024

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Quelle: Adobe Stock - Jacob Lund

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